Murdoch-Angebot für Time Warner: Der greise Tycoon vor seinem größten CoupVon Marc Pitzke, New York
Rupert Murdoch will Time Warner kaufen und das weltgrößte Medienunternehmen schaffen. Doch der anvisierte Konzern ziert sich - der Bieterkampf dürfte jetzt erst richtig losgehen.Wenn Rupert Murdoch anklopft - das fette Scheckbuch in der Hand - bleiben einem drei Optionen. Erstens: Man versteckt sich oder tut so, als wisse man von nichts. Zweitens: Man tritt die Flucht nach vorne an und verscheucht ihn. Drittens: Man freut sich über den Scheck.
Jett Bewkes, Vorstandschef des US-Unterhaltungskonzerns Time Warner (CNN, HBO, Warner Brothers), entschied sich zunächst für Option Nummer eins. Als das Branchenblatt "Variety" ihn vorige Woche auf Gerüchte ansprach, Medienmogul Murdoch wolle Time Warner kaufen, gab er sich ahnungslos: "Davon weiß ich nichts."
Inzwischen ist Bewkes bei Option Nummer zwei angelangt. So hartnäckig waren die Gerüchte, so dünn die Dementis, dass er am Mittwoch ein zweieinhalbminütiges Video an seine rund 34.000 Angestellten schickte, in dem er die Vermutungen zähneknirschend bestätigte.
Ja, sagte Bewkes, Murdochs Konglomerat 21st Century Fox habe in der Tat ein "unerwünschtes Angebot" unterbreitet. Doch Time Warner habe es dankend abgelehnt: Eine Übernahme durch Murdoch sei "nicht im besten Interesse" des Hauses, seiner Mitarbeiter und Shareholder.
Eine der letzten Dinosaurier-Schlachten in der US-Medienbranche wird damit in der Öffentlichkeit ausgetragen. Murdoch vs. Bewkes, Fox vs. Time Warner: Zwei wunde Riesen belauern sich. Beiden geht es nicht allein ums Geld, sondern auch um ihr Erbe. Und darum, eine verpfuschte Vergangenheit zu überwinden.
Vor allem für den 83-jährigen Murdoch steht viel auf dem Spiel: Es wäre der größte - und vielleicht letzte - Deal seiner Karriere. Diese ist reich an spektakulären Übernahmen, neigt sich aber dem Ende zu.
Murdoch will die US-Medienlandschaft umkrempeln Berüchtigt für seine Kaufsucht, die selbst vor heiligen Kühen wie dem "Wall Street Journal" nicht haltmachte, hatte der gebürtige Australier zuletzt ziemliche Rückschläge einstecken müssen. Der britische Abhörskandal, die Aufspaltung seines Konzerns, das plötzliche Junggesellendasein nach der Scheidung: Seine alten Tage hätten besser sein können.
Ein Shopping-Trip wäre da noch mal genau das richtige Rezept gegen Weltschmerz und Einsamkeit. Die einen rennen dazu in die Boutique. Rupert Murdoch kauft Konzerne.
Wobei sich ein Griff nach Time Warner auch wirtschaftlich rechnet, nicht nur aus Murdochs Sicht. Der Deal würde die amerikanische Medienlandschaft erneut völlig umkrempeln.
Die Kombination beider Konzerne würde den weltgrößten Medienkoloss schaffen und viele der wertvollsten US-Objekte unter einem Dach bündeln: TV-Sender wie Fox News und HBO, Hollywood-Studios wie 20th Century Fox und Warner Brothers, Sportrechte und Sportkanäle.
Ganz so überraschend ist das nicht: Beide Seiten hübschen sich schon länger auf. Time Warner hat sich gehäutet, um den Ruch der 2009 wieder rückgängig gemachten Chaos-Fusion mit AOL endgültig loszuwerden, und stieß defizitäre Krisenmedien ab, darunter den Time-Verlag.
Murdoch wiederum trennte seinen Besitz im Zuge des Abhörskandals in zwei Konzerne auf: News Corporation für die Verlagsinteressen ("Wall Street Journal", "New York Post", HarperCollins) und 21st Century Fox für den Rest der Medien (Filmstudios, Fox News). Time Warner würde das letztere der beiden Pakete bestens füllen.
Das abrupte Ende eines Mittagessens Seine Fühler streckte Murdoch Anfang Juni aus. Chase Carey, Präsident von 21st Century Fox und seit 1988 in Murdochs Diensten, traf sich dazu nach Informationen der "New York Times" mit Bewkes zu einem "privaten Lunch" im Time Warner Center, der Konzernzentrale am Central Park, nur wenige Blocks von Murdochs eigenem Hauptquartier an der Sixth Avenue.
Murdochs Offerte: 80 Milliarden Dollar. Ein Zusammenschluss würde überdies eine Milliarde Dollar Kosten sparen. Fox verspreche dabei, die "erfolgreichsten und kreativsten" Manager von Time Warner beizubehalten.
Bewkes war jedoch eher irritiert: "Als Mr. Carey das Angebot zur Sprache brachte, beendete Mr. Bewkes den Lunch abrupt, um sich mit seinem Verwaltungsrat zu beraten", steckte ein Teilnehmer der "Financial Times".
Das Board beriet exakt einen Monat - und wies Murdoch dann ab: Ein unabhängiges Time Warner verspreche "erheblich mehr Wert" für seine Shareholder. Auch würde eine solche Mega-Fusion die Wettbewerbshüter auf den Plan rufen. Dabei hatte Fox angeboten, Time Warners Nachrichtensender CNN, einen Dauer-Rivalen von Fox News, per Spin-Off auszugliedern.
Was nun? Branchenkenner glauben, dass Time Warner allein durch Murdochs Angebot die Aufmerksamkeit anderer Interessenten erregt hat. Schon wird gemunkelt, dass nur der richtige - sprich spendabelste - Freier kommen müsse. Im Gespräch ist unter anderem Google.
"Ich werde Sie auf dem Laufenden halten, wenn es neue Entwicklungen gibt", versicherte Bewkes den Angestellten in seinem Video.
Schließlich hat er ja noch die Option Nummer drei.
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