"Soul ist ein Gefühl. Soul ist die Musik die Gott mir zu erschaffen half."
Ihr Lieben,
Um Michael Jackson zu verstehen, muss man seine musikalischen Wurzeln verstehen. Und um Michael Jacksons Spiritualität und seine spirituelle Botschaft zu verstehen, muss man die Spiritualität seiner musikalischen Wurzeln verstehen.
So einfach ist das.
Aber das ist ganz schön komplex.
Versuchen wir's doch mal...
Michael wurde 1958 geboren, in einem Land, das sich - wie so oft - im Umbruch befand und in einer Zeit, in der der wahre Umbruch erst bevor stand.
1958 in Gary, Indiana, war es vielleicht nicht das glamouröseste Leben aber es war relativ überschaubar und von keinen großen Katastrophen geprägt. Der zweite Weltkrieg war vorbei, de Wirtschaft florierte (wenn in den schwarzen Vierteln auch nicht so viel davon ankam) und der Vietnamkrieg hatte noch nicht begonnen.
Was auch noch nicht begonnen hatte, war die Bürgerrechtsbewegung und darum waren Schwarze und Weiße auch noch sauber getrennt und alles ging so seinen Gang.
Aber unter der Oberfläche brodelte es bereits.
1958 war die Sklaverei gerade mal seit 83 Jahren beendet. Die letzte Generation, die noch in die Sklaverei geboren wurde, war zwar alt, aber einige Zeitzeugen waren immer noch am Leben. Die Urgroßmütter und Urgroßväter jener schwarzen Kinder, die in den 50ern geboren wurden, lebten noch als Sklaven auf den Plantagen des Südens. Könnt ihr euch das vorstellen?
Sie wurden gefoltert, geschlagen, zur Arbeit gezwungen und ihrer Freiheit beraubt. Sie waren der Besitz von weißen Herren.
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Erst Mitte des 19. Jahrhunderts hörte Amerika auf, Sklaven aus Afrika zu importieren - ein Kind, das 1950 geboren wurde, trennten also gerade einmal 100 Jahre, etwa 4-5 Generationen, von den Vorfahren, die noch aus Afrika stammten.
Afrika, das ist das Land, zu dem Michael seine tiefsten Wurzeln hat. Von Afrika wurde Michael Zeit seines Lebens inspiriert. Musikalisch und spirituell. Afrika trug er in seinen Genen, in seinem Geist, in jeder seiner Zellen.
Michael war Afro-amerikaner und wie jeder Afro-Amerikaner wuchs auch er mit allem auf, was das bedeutet:
Die Geschichte der Sklaverei. Ausgrenzung. Rassentrennung. Stolz. Und natürlich:
Soul.
Denn Soul - das war die Musik der Schwarzen, seit Anbeginn der Zeiten. Soul ist so durch und durch afrikanisch wie keine Musik sonst.
Die Musik war das Element, das als einziges aus der afrikanischen Kultur die Zeit der Sklaverei überlebt hat.
Denn alles andere war verboten: Die Sprache der Vorfahren zu sprechen, zum Beispiel. Die eigene Stammesreligion auszuüben. Die eigene Kunst. Schreiben zu lernen war ebenfalls verboten. Und so verständigte man sich eben durch Singen und Trommeln.
Viele afrikanische Stämme nutzten seit jeher
Musik zu rituellen Zwecken. Und auch zu ganz praktischen Zwecken: Sie erzählten Geschichten damit.
Und das tut der Soul noch heute:
Rhythmus, Gesang, Tanz, Leidenschaft - alles was Soul ausmacht blieb über die Jahrhunderte gleich - direkt aus Afrika importiert.
Und wenn Musik in Afrika ein
religiöses Instrument war, dann ist es das bis heute geblieben:
in den Gottesdiensten der Afro-Amerikanischen Gemeinden wird gesungen und Musik gemacht was das Zeug hält.
Gospel stammt aus afrikanischen Gesangsritualen.
Und im Gospel haben fast alle afro amerikanischen Künstler ihre Wurzeln, von James Brown und Stevie Wonder über Diana Ross und Marvin Gaye bis hin zu Whitney Houston und natürlich Michael Jackson.
Zwar war Michael Jackson kein Baptist wie die meisten anderen Schwarzen Künstler, sondern er wurde im Geiste der Zeugen Jehovas erzogen, doch seine kulturellen und musikalischen Wurzeln stecken im Soul.
Soul, das bedeutet Seele. Und um nichts anderes geht es in diesen Gospel-Songs, den religiösen Liedern der Schwarzen.
Schon im 19. Jahrhundert sang man auf den Plantagen Gospel.
Zwar waren um 1850 etwa 80% aller Sklaven christianisiert aber sie brachten einfach ihren eigenen Glauben und ihre eigenen Rituale mit in die neu angenommene Religion. Und eben auch ihre eigene Musik.
Doch worin bestand genau ihre ursprüngliche Religion?
Unzählige Menschen verschiedener Stämme wurden im Laufe der Zeit nach Amerika verschleppt und sie alle hatten die unterschiedlichsten Glaubensformen. Naturreligionen gleichen sich nicht immer, doch ihnen allen ist eine tief empfundene
Liebe zum Land, zur Natur und zu den Elementen gemeinsam.
Das ist nur natürlich, wenn man bedenkt dass all diese Naturvölker den Elementen schutzlos ausgeliefert sind. Sie
mussten im Einklang mit der Natur leben, wenn sie überleben wollten.
Uns hochtechnisierten Menschen ist das ziemlich abhanden gekommen.
Eine weitere Besonderheit, die von Antropologen erst in jüngster Zeit wieder entdeckt wird, ist der
Glaube an die Reinkarnation, die Wiedergeburt.
Nicht alle afrikanischen Stämme glaubten an Seelenwanderung, aber in zahlreichen Zeugnissen von Sklaven ist dieser Glaube noch bis ins 19. Jahrhundert präsent geblieben.
Vielleicht ist also der Name
Soul, für die Musik der Schwarzen kein Zufall.
Eine tief emfpundene Liebe zu Gott, ja ein fast
freundschaftliches Verhältnis zu Jesus prägt ebenfalls die Musik.
Man singt über Jesus, als wäre er der beste Freund. Man singt über Gott, als hätte man ihn vorhin erst beim Mittagessen getroffen.
Wo Marvin Gaye "Oh Baby I wanna be close to you" sang, hätte er ebensogut "Oh Jesus, I wanna be close to you" singen können. Denn so singt man noch heute in afro amerikanischen Kirchen - man verjazzt die Religion,
man lobpreist den Herrn mit Rock'n Roll!
Und das ist sexy! Gospel und Soul - das ist Sinnlichkeit pur.
Wenn bei baptistischen Erweckungspredigten die Leute in religiöser Ekstase reihenweise in Ohnmacht fielen, dann hatte das mindestens genauso viel mit sexuellen Gefühlen zu tun wie mit religiösen.
Man konnte sich regelrecht hineinsteigern in diese Baptisten-Religion des späten 19. Jahrhunderts.
Und die Sinnlichkeit hat bis heute überdauert - schwarze Musik ist nicht kalt und steril, sie ist körperlich! Und sie fordert auch vollen Körpereinsatz.
Kein Wunder, dass Weiße oft so ein mieses Rhythmus-Gefühl haben, sie tanzen nicht beim Beten!
Michael Jackson machte den Tanz zum Gebet! Und das ist kein Zufall.
Michael Jackson, entdeckt von Berry Gordy, groß geworden in Motown, der Hitschmiede der schwarzen Musik, inspiriert von James Brown und erzogen von Diana Ross - dieser kleine Knirps sog Gospel und Soul ja praktisch mit dem Strohalm ein!
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Und als dieses Foto aufgenommen wurde, war die Welt ja sowieso schon wieder im Umbruch. Die ruhigen 50er Jahre waren vorbei und die sehr stürmischen 60er Jahre waren in vollem Gange.
Die Hippies mit ihrer fernöstlichen Lebensphilosophie tauchten gerade rechtzeitig auf, um den Schwarzen interessiert bei ihrer Bürgerrechtsbewegung zuzugucken.
Die Rede "I have a dream" von dem schwarzen Prediger Martin Luther King wurde so etwas wie ein religöses Manifest und sie hat bis heute nichts von ihrer Eindringlichkeit und ihrer Kraft verloren.
Doch viele wissen nicht, dass Martin nicht nur ein politischer Mensch, sondern auch ein tief spiritueller Mann war. Er war Prediger, Bürgerrechtler und er war inspiriert von Mahatma Gandhi. Vor allem aber war er gläubig und zwar auf einer Ebene, die weit über bloße Gottesfurcht hinaus ging. Er glaubte an die Kraft Gottes, die in jedem Menschen innewohnt. Nur deswegen hatte dieser Mann den Mut, zu tun was er tat.
Als King 1968 ermordet wurde, war der Schock beinahe mit Händen zu greifen.
So muss es sich damals für die Schwarzen Amerikas angefühlt haben, wie 2009, als unser King ermordet wurde.
Und wie 2009, so ging auch 1968 mit Martins Tod eine Welle der Energie um den Erdball - eine Welle, von der auch der kleine Michael mit seinen damals 10 Jahren ergriffen worden sein muss.
Wenn man Michaels Inspirationsquellen und Vorbilder jener Zeit benennen müsste, würde man die Namen James Brown, Diana Ross, Marvin Gaye und Martin Luther King in einem Atemzug nennen.
Und seine musikalische Spiritualität, die wurzelte unter anderem in der tiefempfundenen Religiösität des Gospel, in der inneren Stärke des Soul, im Selbstbewusstsein des Jazz und in der damit verbundenen Liebe zur Natur, zu Jesus und in der sinnlichen Körperlichkeit und Lebensfreude seiner schwarzen Vorfahren.
Fortsetzung folgt:
Michaels indianisches Erbe